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Patrice und Nick statt Lady Chatterly |
Während exakt 85 Jahre zuvor
D. H.
Lawrence nervös durch die Wälder des toskanisch-
emilianischen Apennins flanierte, die sanften Hügel des
Chianti
im Rücken und das leise Rauschen des Arno sanft in den Ohren klingend, und
hoffte, dass sein just an diesem Tage veröffentlichter Roman „Lady
Chatterley's Lover“ ihm Erfolg bescheren möge, ließen die virtuosen
Gitarrenklänge aus den gefühlvoll zupfenden Fingern Nick Ruths und die klare Stimme Patrice Köbels die warme Luft im Bistro
Cockpit, dem wohligen Rettungsort im ansonsten winterkalten Reichelsheim, zu
atembarer Liebe werden, ganzgleich wie Lawrences Romanfiguren Connie und
Clifford die Luft füreinander mit Leidenschaft entfachten. Der Roman sollte ein
großer Erfolg werden. Gleiches wünschen wir uns für deren neue Good-Night-Monday-CD
„Love, Liberty & Other Lies“. Freilich im Gegensatz nicht posthum.
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Fiebert mit: Luise |
Pünktlich um zwanzig Uhr drei räumten sie die kleine Bühne
des gut gefüllten Cockpits für den Moderator des Abends, Andreas Arnold, der
sich freute mit dem 13. Poetry Slam in Bistro nunmehr auch den zweiten
vorweihnachtlichen Dichterwettstreit in der Historie der Veranstaltungsreihe
präsentieren zu dürfen. Tatkräftig halfen die nicht nur aus der Wetterau, sondern
selbst aus dem ansonsten so Poetry-Slam-verwöhnten Frankfurt am Main angereisten Gäste beim Erklären der Regeln,
beim Auszählen der Tischbewertung und dabei, dem Moderator drei skandalöse,
jedoch nicht wenig charmant und überaus altruistisch übergangene Verfehlungen vorzuhalten
– mehr dazu im Fortlauf dieses Textes. Dafür wurden sie mit
Weihnachtsschokolade reichlich entlohnt bzw. zum Schweigen gebracht. Der erste
Lohn kam bereits in Gestalt von Luise Frentzel aus Dortmund, die trotz Fiebers es
sich dennoch nicht nehmen ließ, mit zwei Texten zu featuren. Sie brachte das von
GNM gut vorgewärmte Publikum endgültig zum Kochen, was angesichts der
Außentemperaturen tatsächlich bemerkenswert war.
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Hatte bei Freundin nicht viel zu lachen: Jonas |
In der ersten Runde starteten sodann Jonas Deußer aus
Friedberg, den Stammgästen des Cockpits bereits bekannt durch zwei musikalische
Auftritte während der Poetry Slams No. 7 und 11, Samuel Kramer aus Offenbach
und Alina Inserra aus Friedberg. Jonas startete mit von Sarkasmus und Ironie
durchzogenen Tagebuchseiten über die letzten Tage mit seiner Freundin und die
ersten Tage danach, gefolgt von Samuel, der über fünf Hüte lyrisch und fesselnd
vortrug. Alina las einen Text nach Wunschvorgabe des Publikums, das
Leserichtung, -geschwindigkeit und Reihenfolge der Worte durch Zwischenrufe
selbst bestimmen durfte. Origineller konnte ein Vortrag kaum sein. Obgleich sie
Zettel mit ebensolchen Anweisungen zuvor im Publikum verteilte hatte und sie
selbst in ihrer Anmoderation bereits die Vermutung hegte, es könne sich um das
disqualifizierende Verwenden von Requisiten gehandelt haben, konnte der
Moderator Andreas Arnold eine Disqualifikation spielend verhindern, indem er –
Skandal Nr. 1 - ca. 700 g Weihnachtsschokolade in bestechender Schnelligkeit im
Publikum verteilte, das zwar gar nicht im Begriff war, nach Disqualifikation zu
rufen, doch immerhin dadurch Schokolade hatte.
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Mitfühlend schauend: Lukas |
Die zweite Vorrunde eröffneten Lukas Kreutz aus Marburg,
Mario Henn aus Mannheim und „Dichter Dran“ aus Frankfurt am Main. Lukas
begeisterte mit Deklinationen des Verbes Fühlen. Seine trockene Art hierbei
ließ jedenfalls kaum ein Auge trocken. Mario beschäftigte sich in bester
polit-satirischer Manier mit Verallgemeinerungen und öffnete manch ein Auge,
das Lukas zuvor tränenverklebt hatte, um festgefahrene Anschauungen von
Einsicht infiltrieren zu lassen. „Dichter Dran“ versuchte sich an
Improvisation, und der Versuch darf als voller Erfolg gewertet werden. Was für
eine abwechslungsreiche, lustige und doch stimmige Geschichte sich spontan mit
den Begriffen „lauwarm“, „Date“ und „Froschschenkel“ bilden ließ, war schon beeindruckend. Die Tischbewertungen
ergaben ausgeglichene Voti für die drei Künstler. Knapp setzte sich jedoch
Mario Henn durch und zog als zweiter Kandidat ins Finale.
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Bestechende Moderation: Arnold |
Nachdem GNM uns eine musik-untermalte Pause geschenkt
hatten, die sich viel zu kurz anfühlte, begann die dritte Vorrunde. Eröffnet
von Thorsten Zeller aus Friedberg mit einem gesellschaftskritischen Spiegel, in
dem allzu viele Familien vor dem Fernseher saßen, statt sich miteinander zu
beschäftigen, folgte der Beitrag von Jonas Wagner-Heydecke aus Lißberg. Jonas
gewährte Einblicke in seine Ausbildung bei der Justiz und wirkte dabei – und das
meine ich absolut positiv und anerkennend – wie eine ganz eigenwillige Mischung
aus Johann König und Pete Glocke, ohne dabei jedoch in Effekthascherei zu
verfallen. Den Abschluss markierte Mary Grebner aus Bad Nauheim mit einem
Reigen der Gegensätzlichkeiten um Kommen und Gehen, Denken und Verstehen. Der Moderator
bat daraufhin versehentlich Jonas selbst um Assistenz bei der Auszählung der
Stimmen. Jonas zog neben Thorsten ins Finale. Stimmen, die das merkwürdig
fanden, konnten jedoch – Skandal Nr. 2 - erneut durch Schokolade zum Schweigen
gebracht werden.
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Ein Jonas: Jonas |
Im Finale eröffnete Samuel, vom Moderator wiederholt als
Jonas Kramer angekündigt – straffreie Vorbereitungshandlung zum 3. Skandal - mit einem Text, in dem sich finstre feuchte
Rachenräume thematisch mit gekonnten Wortspielen und begeisternden Aphorismen
wechselten. Mario hielt ein Plädoyer für den Mut zur Langweiligkeit, das nicht
nur die anwesenden Medienkommunikationsstudenten begeisterte. Thorsten hielt es
weihnachtlich und erfüllte einen Stammgastwunsch. Sein „O Tannenbaum“, eine
amüsante und herzliche Geschichte um die Suche nach dem perfekten
Weihnachtsbaum, in der sich nicht nur die Familienmütter und –väter aus dem
Publikum wiedererkannt haben dürften, erntete den verdienten Applaus. Jonas
W.-H. endete das letzte Finale des Jahres mit einem Text über Diskriminierung
und
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Kein Jonas: Samuel |
entlarvte das Pharisäertum seines Protagonisten auf nachdenklich stimmende
Art. Der Moderator forderte daraufhin den finalen Applausentscheid für
Thorsten, Mario und – Skandal Nr. 3 – zweimal für Jonas ein, da er Samuel
erneut Jonas genannt hatte. Hierfür büßte er verdient den letzten Rest seiner
Schokolade ein. Letztlich entschied Samuel, als er nicht mehr Jonas gehießen wurde, das Finale klar für sich.
Thorsten, der einzige tatsächlich finalverbliebene Jonas und Mario trugen sehr unterhaltsame
und wohlfeile Texte ins Finale und ernteten guten, herzlichen Applaus eines
zufriedenen und gut unterhaltenen Publikums, doch es traf eine eindeutige
Entscheidung für den verdienten Sieg des amtierenden U20-Hessenmeisters im
Poetry Slam aus Offenbach.
Auch im neuen Jahr wird es wieder zahlreiche Poetry-Slam-Veranstaltungen,
Workshops und Einzelauftritte in der Wetterau geben. Bereits am 27. Januar darf
es im Friedberger Junity „Slam Poetry zum Gedenken“ sein, eine Veranstaltung,
die mit einfühlsamen Texten dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz
gedenken wird. Näheres hierzu unter
http://www.junity-friedberg.de. Und schon
knapp drei Wochen später, am 15.02.2014, wird sich das Cockpit erneut mit einer
Wohlfühlmischung aus handgemachter Musik und herrlichen Texten füllen. Mehr
dazu wie immer hier im Blog und auf Facebook.
Mit den besten Wünschen für die Weihnachtszeit und das neue
Jahr
Euer Poetry Slam Reichelsheim
PS Ich weise wahrheitshalber darauf hin, dass der Autor dieses
Berichts und der Moderator der Veranstaltung ein und dieselbe Person sind, der
Autor sich jedoch mehrheitlich befleißigte sich in der dritten Personen zu
nennen, um nicht mit dem Skandaltriplett des Moderators in Verbindung gebracht
zu werden.
PPS Am gleichen Tag verstarb Peter O’Toole, einer meiner Lieblingsschauspieler. Für mich unvergessen in „My Favorite Year“. Daher widme ich ihm das Schlusswort. Ruhe in Frieden, Peter.