Bestens gestimmt: Sebastian nebst Gitarre |
Während draußen die Temperatur gefühlt auf unter 30° C abzusinken begann, hatten wir, die wir uns am Abend des 7. Juni im Cockpit
zusammengefunden hatten, das Glück, dieser traurigen Entwicklung entgegenwirken
zu können. Bei uns wurde es immer wärmer, und das lag nicht nur daran, dass
jeder der Gäste, die wieder einmal das Bistro bis auf den letzten Sitzplatz hin
ausgefüllt hatten, 100 Watt an Wärmestrahlung mitbrachte, was sich zusammen mit
Künstlern und Personal geeignet haben mag, um drei Stunden lang Pizza zu backen,
sondern auch an den herzerwärmenden, lachmuskelstrapazierenden und
gehirnwindungenanregenden Beiträgen, die wir in den zwei Stunden unseres Poetry
Slams auf die Ohren bekamen. Und nicht zu vergessen, die Vorerwärmung durch die
volle Stimme und das stimmungsvolle Zupfen der irischen Bouzouki und der
Zwölfseitigen von Freddy McRevill aka Sebastian Barwinek.
Jay: den Spiegel vorgehalten |
In der ersten Vorrunde startete Markus Zinkl aus Wölfersheim
mit gereimten Beobachtungen seiner Mitmenschen und deren Eigenarten, gefolgt
von Thorsten Zeller aus Friedberg mit einer ebenfalls gereimten Erzählung über
einen Weihnachtsbaumkauf. Den Abschluss machte Jay Nightwind aus Essen mit der
Geschichte über Katja, die die Inkompetenz ihrer Mitmenschen dadurch zu
egalisieren versucht, indem sie sich konsequent für deren Jobs bewirbt. Die
Tischbewertung durch das Publikum fiel eindeutig aus. Eindeutig dahingehend,
dass zwei Künstler ins Finale ziehen sollten. Einer Entscheidung, der unser
Moderator gerne nachkam, zumal die angenommene Teilnehmerzahl schließlich noch
Platz für den einen oder anderen weiteren Text ließ. Da der Gedanke an Schnee
und der an Katja unser Publikum gleichermaßen nicht mehr losließ, wurden das
Thorsten und Jay.
Axel gerät vom Hochbett in die Suppe |
Schon bei der Auslosung der Vorrunde erhöhte sich die Zahl
der Teilnehmer um die Zahl eins: Axel Fahl aus Reichelsheim hatte sich spontan
entschieden, einen der zwei offenen Plätze für Kurzentschlossene für sich zu
beanspruchen, und nachdem Mary Grebner aus Bad Nauheim die zweite Runde mit
drei emotional vorgetragenen Gedichten über Katastrophen und Gefühle eröffnet
hatte, ließ der Überraschungs-Poet Axel ein wahres humoristisches Feuerwerk
über Hochbetten und Fliegen in der Suppe los. Obgleich der Dritte der Runde,
Lukas Lazarewitsch aus Frankfurt am Main, sich mit getragener Liebeslyrik in
die Seelen der Anwesenden sprach, war es der Einheimische, der den Finaleinzug
für sich beanspruchen durfte. Mit Pauken und Trompeten zog er ein, während
Sebastian mit Gitarre und Gesang die folgende Pause spielend zurückeroberte.
Carmine, und Andreas in demütiger Pose |
In der dritten Runde startete Tanasgol Siebenstein aus
Friedberg mit einer sozialkritischen und von Trauer erfüllten Ode an den Iran,
gefolgt von Benedict Hegemann aus Marburg, der die Trauer wieder aufhob und das
Zwerchfell strapazierte. Als vermeintlich Letzter startete Fatih Serbest aus
Mainz mit einem Rap-Text über Gedanken, das Denken und was man dachte, gedacht
zu haben, und rief unserem Moderator ins Gedächtnis, dass da noch jemand da
gewesen sein wollte: Carmine Squillace aus Gießen. Er war auch da, doch die flirrende
Hitze hatte wohl verhindert, dass sein Name in den Hut kam, um für die Runden
ausgelost zu werden. Ach, was! Für die Fernsehübertragung schneiden wir solche
Pannen zukünftig dann einfach raus. Carmine beendete drei unterhaltsame und abwechslungsreiche
Vorrunden mit einem weiteren sozialkritischen Text über das Abgestempelt
werden. Obgleich das englische Wort „Last but noch least“ getrost für seinen
Vortrag beansprucht werden durfte, fielen die Tischbewertungen sehr eindeutig
auf Tana.
Normannische Gaumenfreude nach keltischem Ohrenschmaus |
Das Vierer-Finale wurde zu einem Feuerwerk an
funkensprühenden Worten, die am Sprachhimmel lautstark Ohren öffneten. Während unsere Gäste den Geburtstagskuchen, den einer unserer Stammgäste uns allen ausgegeben hatte, genossen - nochmal danke und alles Gute, Rico -, wandte sich Thorsten seinen Erfahrungen als Rettungssanitäter zu und beschrieb im
ständigen Wechsel zwischen Humor und Kritik, wie Alkohol auf Menschen wirkte. Jay
plädoyierte gegen Diskriminierung und für Toleranz und Vergebung für politisch
Fehlgeleitete und öffnete Augen und Ohren für ein zu selten gehörtes Thema und
eine ganz andere Art der Intoleranz. Axel ließ seinen Protagonisten aus der
Vorrunde, Baum-Schröder, erneut auf das Publikum los und erntete für dessen
Busfahrt zahlreichen Lachtränen, während er sich den Künstlerrespekt abschließend
erwarb, indem er vier Strophen mit den gleichen Wörtern zu vier verschiedenen
Bedeutungen werden ließ. Kurz, aber so wie es effektvoller kaum sein könnte,
sprach sich Tana anschließend mit ihrem verspäteten Muttertagsgeschenk in die
Seelen der anwesenden Mütter, künftigen Mütter und aller, die Töchter und Söhne
von Müttern sind. Die finale Applausabstimmung fing mit lautem Applaus für
Thorsten an, ging mit lautem Applaus für Jay weiter, dem sich lauter Applaus
für Axel anschloss und der mit frenetischem Handgeklapper, Gepfeife und Gejohle
für Tana endete.
Unglaublich, was alles in der Tüte war |
Bis dahin alles Gute
Euer Poetry Slam Reichelsheim