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Samstag, 15. Dezember 2012

7. Poetry Slam im Cockpit; Flugbericht


"Vorstadt zum Garten" vor dem Slam
Als vor vierzig Jahren, dem 11. Dezember 1972, die vorerst letzten Menschen aus dem Cockpit der Apollo 17 stiegen, um auf dem Mond zu wandeln, konnte noch keiner damit rechnen, dass exakt 40 Jahre später die letzten Slammer des Jahres in das Reichelsheimer Cockpit gehen würden, um es in eine Welt erfrischender Prosa und erquickender Lyrik zu verwandeln. Nach einigen kurzfristigen krankheitsbedingten Absagen erwies es sich als Segen, dass wir am letzten Poetry Slam des Jahres, am 11.12.2012, zum ersten Mal mit einer offenen Liste mit zwei Startplätzen arbeiteten. So wurden es dann doch neun Künstlerinnen und Künstler, die die Bühne des Cockpits betraten, und uns ihre schönsten Stücke vortrugen. Doch bevor es losging, trugen auch andere ihre schönsten Stücke vor: Die Band „Vorstadt zum Garten“ war zu Gast und erfreute vor dem Wettbewerb mit herrlichen Songs begleitet von Gitarren, Cajón und Klangfrosch.

Jakob sinniert über Georg
Als um kurz nach acht die Regeln des Wettbewerbs im Austausch gegen weihnachtliche Schokoladen-Spezialitäten durch das Publikum erklärt waren, starteten in der ersten Vorrunde Mary Grebner aus Bad Nauheim, Dennis Schulz aus Heidelberg und Jakob Gielgaß aus Marburg. Mary, die an diesem Abend bereits zum fünften Mal auf unserer Bühne stand, trug in ihrer typischen Art zwei weihnachtliche Gedichte vor, Jakob bewies mit „Georg, der Drachentöter“, dass Rauchen Leben retten kann, und Dennis erklärte im versierten Spiel mit Schüttelreimen, weshalb das postulierte Primat des Verstandes bei ihm so enden konnte, dass er verstand, ein Primat zu sein. Mit acht für sich gewonnenen Tischbewertungen entschied Dennis die erste Vorrunde für sich und zog als erster in das Finale ein.

Kathrins Doppel-D-Problem
Die zweite Vorrunde war besetzt durch Klaus Urban aus Stadthagen, Kathrin Baka-dono aus Mainz und Luca Del Nero aus Bad Nauheim. Klaus trug die Geschichte vom Reim vor, der nicht reimen wollte, Kathrin forderte – in ihrer typischen erfrischend sorglosen Art des Umgangs mit Sexualität - ihr Recht auf Diskriminierung ein und Luca trug seine Dystopie über die fiktive Welt „Sektor X“ vor. Gefolgt von Kathrin mit vier Tischen - davon drei gemeinsam mit Klaus -, konnte sich Klaus mit sieben Tischen den zweiten Finalplatz sichern, bevor Sergio, Jonas und Niels von „Vorstadt zum Garten“ ein zweites Mal die Bühne für sich proklamierten und allen eine musikalisch vortreffliche Pause bescherten.

Über das Mikro kam der Thon raus
Den Abschluss bildeten in der dritten Vorrunde Thon aus Bruchsal, Jonas Kettermann aus Friedberg und Sören Franz aus Bad Nauheim. Thon warnte vorab, dass seine Texte in etwa die Empfindung eines negativen Schwangerschaftstestes mit sich brächten, und berichtete anschließend selbstironisch von seiner Partnersuche, Jonas brachte eine dreiteilige Weihnachtsgeschichte auf die Bühne und Sören ergoss sich im Spiel mit typisch männlichen und typisch weiblichen Stereotypen. Das Publikum erwies sich als sehr uneins, je vier Tische wollten je einen anderen Slammer im Finale sehen, und so zogen nach einem nicht minder unentschlossenen Applausentscheid zwei statt nur einem Poeten ins Finale ein: Jonas und Sören.

Will einfach nicht reimen: Klaus
Im Vierer-Finale trug Dennis den dritten Weihnachtstext des Abends vor, dessen nicht alleiniger Gipfel ein Weihnachtsbaum aus Mett war, Klaus brummte, hauchte und jauchzte jedem Wort seines Textes „Liebe ist eine Tätigkeit“ ein Eigenleben ein, Jonas berührte mit einer sozialkritischen Geschichte über einen achtjährigen im Zeltlager und Sören ließ die Publikumsseele mit einer sensitiven Lobeshymne an seine Eltern erwachen. Alle Texte wussten gleichermaßen zu begeistern, doch auf der höchsten Siegertreppchenstufe hat bekanntermaßen nur einer Platz, und an diesem Dienstag war es sehr eindeutig Klaus Urban, der von den Schallwellen tosenden Applauses dorthin getrieben wurde.

Je nach Platzierung mit Sekt und Schokoladenweihnachtsmännern unterschiedlicher Preis- und Gewichtsklassen honoriert, traten unsere Finalisten und die gleichfalls mit Schokolade belohnten Vorrundenteilnehmer anschließend von weihnachtlichen Gefühlen erfüllt ihre teils weiten Heimwege an. Wir freuen uns darauf, die Finalisten hoffentlich alle am 03. August 2013 zu unserem Open-Air-Saisonfinale wieder begrüßen zu können und alle anderen hoffentlich auch an einem der weiteren Termine.

Dennis, Klaus, Andreas, Sören & Jonas
Einer der letzten Menschen auf dem Mond, der us-amerikanische Astronaut Eugene Ceran, sagte 1972: „Wir gehen, wie wir gekommen sind, und, so Gott will, werden wir zurückkehren, mit Friede und Hoffnung für die ganze Menschheit.“
Ich sage: „Wir gehen, ein wenig mehr von der Liebe zum Wort erfüllt als wir es waren, als wir kamen, und, so [Entität freier Wahl bitte einsetzen] will, werden wir am 16.02.2012 ins Cockpit zurückkehren, mit Liebe und Hoffnung für das ganze Universum“
Euch allen eine schöne Weihnachtszeit, einen guten Start ins neue Jahr, bleibt uns gewogen und bis zum nächsten Slam im Cockpit.

Euer Poetry Slam Reichelsheim